Titel:Video-Kassette "Verdrängte Schuld" / "A suppressed blame"
Herausgeber:ORF Österreichischer Rundfunk, Würzburggasse 30, A 1136-Wien 
ISBN/Mediennummer: 

Bewerter:Projektgruppe des IB&M der GPI

Teil I: P�dagogische Bewertung5.0 Punkte - Pr�faspekt und das didaktische Anliegen sind in sehr guter Art und Weise konzipiert und realisierbar. - sehr gut (1)
Der Videofilm "Verdrängte Schuld" ist eine hervorragende, problemorientierte und kritische Dokumentation zur nach 1945 in Österreich erfolgten Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Der Autor setzt sich mit wesentlichen Fragen auseinander, belegt sie bzw. beantwortet sie überzeugend. Solche Fragen lauten: Waren die ideologischen Reinigungs- und Sühnemaßnahmen in Österreich erfolgreich - Wie erfolgreich waren sie? Gab es eine Kluft zwischen Theorie und Praxis - Wenn ja, wie groß war sie? Zu authentischer Beantwortung werden verschiedene und vor allem unterschiedliche "Berichterstatter" einbezogen. So kommen NSDAP-Mitglieder, die in Österreich nach Kriegsende 1945 verhaftet worden sind, zu Wort. Und es kommen Gegner des Nationalsozialismus zu Wort, die als Mitglieder von Entnazifizierungs-Kommissionen gegen Nationalsozialisten unterschiedlichste Sanktionen auslösten, mitinitierten oder/und zu verhängen hatten. Es waren unterschiedliche Strafsanktionen wie Internierung oder Berufsverbote. - Eine Schwerpunktlinie des didaktischen Medienproduktes bilden jene Sanktionen, die 14 EU-Staaten gegen Österreich vornahmen und die dabei von einer unbewältigten NS-Vergangenheit Österreichs ausgingen. Das didaktische Medienprodukt fragt: Entspricht dieser Vorwurf einer oberflächlichen Pauschalverurteilung? Hat die Zweite Republik den Nationalsozialismus vor allem auch durch Verdrängung bewältigt? Der Autor Andreas Novak begründet und beschreibt eindrucksvoll und nachvollziehbar die schwierige Gratwanderung zwischen ideologischer Reinigung, fehlender Einsicht, wirtschaftlichem Wiederaufbau, außenpolitischen Einflüssen und innenpolitischer Taktik. "Nie wieder Faschismus, Sühne und Strafe für die 600.000 ehemaligen NSDAP-Mitglieder" lautete der Wahlspruch im neuen Österreich. Deshalb wurden Nationalsozialisten in den ersten Nachkriegsmonaten radikal von ihren Posten entfernt. Sie erhielten Berufsverbote, hatten Sühnezahlungen zu leisten, hatten Vermögensverfall und erhielten Wahlrechtsverlust. 50.000 von ihnen wurden verhaftet und Volksgerichten übergeben. Das didaktische Medienprodukt personifiziert bzw. agiert mit Wort und Beispiel. So wurde beispielsweise Klaus Mahnert als ehemaliger Gauinspekteur von Tirol und Vorarlberg in einem Volksgerichtsverfahren zu elf Jahren Gefängnis verurteilt;Im Interview berichtet der heute 87jährige über den Prozeß und seine Mängel. veranschaulicht wird: Verhaftungen und soziale Isolierung stießen dort an Grenzen, wo der Wiederaufbau durch Personalmangel gefährdet war. So durchlöcherte der Kalte Krieg ab 1947 die Sühnebestimmungen erheblich. gezeigt wird, dass gleichzeitig in den Parteien die Stimmen nach Beendigung der Strafgesetze immer lauter wurden. Rot und Schwarz gründeten NS-Referate und Amnestieausschüsse, um die Erledigung von Gnadengesuchen ebenso zu beschleunigen wie die Aufhebung von Sühnezahlungen. Der Rezipient wird in diese Zusammenhänge und Bedingungen anschaulich eingeführt. Einen weiteren und überzeugenden Schwerpunkt bildet das konkrete Beispiel aus dem Alltag im Salzburger Internierungslager Glasenbach, in dem bis zu 10.000 ehemalige Nazis inhaftiert waren. "In Glasenbach sitzt die Intelligenz und in Wien regiert der Mist" - an diesen Sinnspruch kann sich die dort auch internierte ehemalige BDM-Führerin Trude Fleischer noch erinnern. Die überwiegende Zahl der inhaftierten Nationalsozialisten fühlten sich als Opfer. Diese Sehweise behinderte die Schuldeinsicht, wie im Film Karl Steinocher, ehemaliger Fahrdienstleiter am Bahnhof Salzburg und zuständig für die Entnazifizierung von 4.500 Eisenbahnern, berichtet. Insgesamt handelt es sich um ein deutlich inhalts- und werteorientiertes Filmprodukt.

Teil II: Didaktische Bewertung4.6 Punkte - Pr�faspekt und das didaktische Anliegen sind in sehr guter Art und Weise konzipiert und realisierbar. - sehr gut (1)
Das didaktische Medienprodukt "Verdrängte Schuld" ist eine problemorientierte, kritische und didaktisch überlegt aufbereitete fassliche Dokumentation zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich nach 1945. Es wendet sich an einen Adressatenkreis in der Schule ab Sekundarstufe 2, an Aus- und Weiterbildung und an politisch Interessierte. Problemorientierung, Sachinformationen und deren Verarbeitung, Kausalitätsdenken und Authentizität bilden die didaktisch folgerichtig aufgebaute Auseinandersetzungsdstrategie mit den bereits genannten Fragen wie: Wie erfolgreich waren die ideologischen Reinigungs- und Sühnemaßnahmen? Wie groß war die Kluft zwischen Theorie und Praxis? Didaktisch überlegt werden Ursachen und Wirkungen so veranschaulicht, dass sie der Rezipient selbständig "entdeckt". Fakten werden nicht nur benannt, sondern immer in ein Bedingungsgefüge gestellt und dabei Schwierigkeiten so gekennzeichnet, dass der Adressat sie durchdenken muss (z.B. das Erkennen der Gratwanderung zwischen ideologischer Reinigung, fehlender Einsicht, wirtschaftlichem Wiederaufbau, außenpolitischen Einflüssen und innenpolitischer Taktik). Das didaktische Medienprodukt überzeugt durch seinen Aussagegehalt und regt in hohem Maße und fundiert den sozialen Austausch über das Thema "Verdrängte Schuld" an und bietet dabei auch Anregungen für die Auseinandersetzung und "Beweisführung" im Umgang mit dem Nationalsozialismus in Deutschland bzw./ und in der ehemaligen DDR und BRD.

Teil III: Mediale Bewertung4.6 Punkte - Pr�faspekt und das didaktische Anliegen sind in sehr guter Art und Weise konzipiert und realisierbar. - sehr gut (1)
Das Medienprodukt "Verdrängte Schuld" ist eine inhaltlich-gestalterisch hervorragend gelungene Dokumentation zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich nach 1945. Die filmische Medienspezifik wird überzeugend eingesetzt. Sie besticht durch problemorientierte Sachkompetenz und beispielhaft dargebotene Authentizität. Die audiovisuelle Komposition, die Filmstruktur und der filmische Aufbau entsprechen sowohl dem Anliegen wie auch dem Adressatenkreis der Jugendlichen und Erwachsenen sehr gut. Indem eine problemorientierte Insgesamtgestaltung gewählt worden ist, werden Adressat und Rezipient förmlich gezwungen, sich mit dem Inhalt und mit den zugrundegelegten Fragestellungen auseinander zu setzen und sie auf Deutschland zu beziehen. Hervorhebenswert ist die insgesamt gelungen gestaltete Einheit von Sachaussage/Rationalität und Emotionalität und das darauf basierende wirkungsvolle Ansprechen des Rezipienten.

Teil IV: Bedienungsbewertung4.5 Punkte - Pr�faspekt und das didaktische Anliegen sind in sehr guter Art und Weise konzipiert und realisierbar. - sehr gut (1)
Das Medienprodukt "Verdrängte Schuld" ist - geschuldet der gewählten Medienart und daraus resultierender Medienspezifik - ausgesprochen bedienerfreundlich, leicht bedienbar und nutzeradäquat.

Teil V: Gesamtbewertung18.8 Punkte - beispielhaftes didaktisches Multimediaprodukt - sehr gut (1)
Der Videofilm "Verdrängte Schuld" ist ein beispielhaftes didaktisches Medienprodukt und hervorragende, problemorientierte und kritische Dokumentation zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich. Der Autor setzt sich überzeugend mit Fragen auseinander wie: Waren die ideologischen Reinigungs- und Sühnemaßnahmen in Österreich erfolgreich; Wie erfolgreich waren sie? Gab es eine Kluft zwischen Theorie und Praxis; Wenn ja, wie groß war sie? Zu authentischer Beantwortung werden unterschiedliche Zeitzeugen einbezogen. Die Filmdokumentation wendet sich an einen Adressatenkreis in Schule an Sekundarstufe 2 und Aus- und Weiterbildung bzw. an der Thematik und politisch Interessierte. Problemorientierung, Sachinformationen und deren Verarbeitung, Kausalitätsdenken und Authentizität bilden die didaktisch folgerichtig aufgebaute Auseinandersetzungsdstrategie mit den o.a. Fragen. Fakten werden benannt, charakterisiert und in ihr Bedingungsgefüge gestellt. "Verdrängte Schuld" ist eine inhaltlich-gestalterisch hervorragend gelungene Dokumentation zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich nach 1945. Gelungen ist die gestalterische Verknüpfung von Rationalität und Emotionalität. Geschuldet der gewählten Medienart sind Bedienung und Handhabung bedienerfreundlich und nutzeradäquat.

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